Die Rache der Saalnixe

Blick auf die Bleilochstaumauer


Heute soll es um die Saalnixe gehen. Die Geschichte besagt, dass nur ein einziger Mensch die Saalnixe jemals gesehen hat und das war ein Holzfäller. Er wohnte in dem Dorf Wettera, das man auf heutigen Landkarten nicht mehr finden wird weil es auf dem Grund des Bleilochstausees wäre. Aber auch auf alten Landkarten taucht der Name nur noch als Wüstungsort auf. Das Dorf wurde schon vor langer Zeit verlassen und so verfiel es, bis nichts mehr von ihm zu sehen war. Nur ein Flurname und diese Sage erinnerte noch an das Dorf. Die Lage wird mit "1000 Schritt flussaufwärts von der Mündung des gleichnamigen Baches" beschrieben. Es dürfte also zwischen Gräfenwarth und Kloster an der Wettera gelegen haben, also nicht weit entfernt von der heutigen Brücke über den Stauseearm der Wetterabucht.

So sah die Gegend um Saalburg damals auf der Landkarte aus.


Zurück zu unserem Holzfäller. Der Mann arbeitete für des Kloster "zum heiligen Kreuz", das heute nur noch als Ort Kloster bekannt ist. Zum Kloster gehörten damals die ausgedehnten Wälder zwischen Remptendorf, Burgk und den Bleilöchern. Diese Bleilöcher sind heute sehr bekannt weil genau an der Stelle die Bleilochtalsperre errichtet worden ist und diese so zu ihrem Namen kam.

An einem Abend kam der Mann also von seiner Arbeit und lief an der Saale entlang nach Hause. Als er an die Bleilöcher kam, meinte er über dem Wasser des Flusses eine helle Gestalt zu sehen. Ganz Vorsichtig und ohne ein Geräusch legte er sein Werkzeug auf den Boden und schlich leise und neugierig näher heran. Da sah er sie, die Saalnixe, von der wohl jeder die Sage kannte, die aber noch nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hat. Sie stieg gerade aus dem Wasser, sodass er sie aus der Nähe betrachten konnte. Sie erschien ihm schöner als der Sonnenschein. Auf ihrer leicht grünlichen Haut trug sie schwanenweiße Gewänder, die hauchdünn wie die von Elfen waren. Ihr Haar schimmerte in der Abendsonne wie pures Gold. Sie stellte sich ans Ufer und wusch ihre Wäsche, dabei summte sie eine zauberhafte Melodie vor sich hin. Dem Holzfäller klopfte bei dem Anblick das Herz bis zum Hals. Er wagte kaum zu atmen und konnte doch seinen Blick nicht abwenden, von diesem herrlichen Bild. Doch dann gellte plötzlich der Ruf einer Eule von einem Felsen ganz in der Nähe, woraufhin die Nixe schnell ihre Sachen zusammenraffte und an der dunkelsten Stelle verschwand, dort wo die Saale gurgelnd einen reißenden Strudel bildete. Der Mann blieb wie erstarrt zurück und konnte erst eine ganze Weile später seinen Heimweg antreten, den er dann immer noch etwas benommen, wie im Traum beschritt.

An dieser Stelle will ich nochmal einhaken. In unserer Vorstellungswelt von heute setzen wir Nixen mit Meerjungfrauen gleich. Und denkt da nicht jeder gleich an Arielle die kleine Meerjungfrau, mit menschlichen Oberkörper und einem Flossenunterleib. So eine Nixe braucht natürlich keine Kleider und muss diese auch nicht waschen. Allerdings stellte man sich damals unter Nixen eher Flussgeister vor, die sowohl Füße als auch Kleider hatten, wunderschön aussahen und betörend singen konnten. Berühmte Nixen waren unter anderem die Lorelei am Rhein und die Sirenen aus der Odyssee.

Nun aber zurück zur Saale und zu unserer Geschichte. Der Holzfäller beschloss die Sache für sich zu behalten. Lange Zeit klappte das auch gut, bis er eines Abends mit den Knechten vom Kloster bei einem Würfelspiel und viel Bier im Wirtshaus zusammen saß. Die Knechte prahlten im Angesicht des Alkohols mit ihren Wundertaten, was sie nicht schon alles gesehen und erlebt hatten. Da wollte der Holzfäller auch nicht zurückstehen und erzählte von seinem Geheimnis. Die Zechbrüder wollten es natürlich nicht glauben, lachten ihn aus und nannten ihn sogar einen Prahlhans. Das kränkte ihn und nach einigem Hin und Her, brachten ihn zwei Knechte dazu, dass er sie in der folgenden Nacht, der Johannisnacht, zu der Stelle führte, wo er die Saalnixe gesehen hatte. Er sollt sie ihnen zeigen.
Blick auf die Bleiberge und die Saale darunter, deren wilde
Strudel durch den Bau der Staumauer gezähmt wurden.

Die Drei wanderten also am nächsten Abend zu der Stelle und warteten in einem Versteck. Doch die Saalnixe ließ sich nicht blicken. Nach einiger Zeit wurden sie ungeduldig und fingen an die Saalnixe zu rufen. Dabei wurden sie immer frecher und die Worte immer derber, mit denen sie die Saalnixe schlussendlich gar beschimpften. Schließlich machten sie sich auf dem Heimweg. Allerdings waren sie Teils wegen der ausbleibenden Saalnixe, Teils wegen des vermeintlichen Prahlhansels so voller Kroll und Erregung, dass sie bei der Querung der Saale von der seichten Furt abkamen und in den gewaltigen Strudel der Bleilöcher gerieten, der sie sogleich verschlang. So rächte sich die Saalnixe für die ihr angetanen wüsten Beschimpfungen auf eine sehr harte Weise.

Seitdem aber, so erzählen sich die Leute an der Wettera und an der Saale, dass die Saalnixe jedes Jahr an Johannistag, also am 24. Juni, ihr Opfer sucht.

Was ist nun der Unterschied zwischen der Saalnixe und der Nixe Saala? Mit der Nixe Saala wird angedeutet, dass die Saale einen göttlichen Namen erhalten hat und deswegen ein heiliger Fluss ist. Die Saalnixe bezieht sich auf den Fluss selber, in dem eine (Fluss-)Göttin lebt die jedes Jahr ein Opfer haben will. Das es ausgerechnet der Johannistag ist, wird auch kein Zufall sein, da das der Tag nach der Sommersonnenwende ist, der schon vor den Germanen und Kelten gefeiert worden ist und der auch mit Opferritualen begangen wurde.
Was wir aus der Sage noch heraus lesen können ist, dass man wohl eines Tages vom jährlichen Tieropfer, was ja schon in der Sage "Fürst Saala und seine Kinder" angesprochen wurde, zu einem Menschenopfer übergegangen ist. Diesen Übergang kann man anhand von Moorfunden in Norddeutschland für alle Germanenstämme in Mitteleuropa belegen. Zwischen dem Jahr 100 und 400 gab es einen Wandel von bäuerlichen Gemeinschaften hin zu einer hierarchischen und aristogratischen Kriegergesellschaft, die unruhiger und kriegerischer war. Dabei änderte sich auch der Opferritus von unblutigen Bitt- und Dankesopfern hin zu blutigen Tier- und Menschenopfern. Und auch von den später an der Saale ansässigen Sorben ist bekannt, dass sie ebenfalls Menschen opferten.

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