Zwei Hütejungen und die Saalenixe

Es wurden nicht nur Rinder gehütet, auch
Schafe, wie hier bei Burgk.


In früheren Zeiten war es üblich, dass die Kinder, die für die schwere Arbeit der Bauern noch zu klein waren, das Vieh hüten mussten. Gehütet wurde das Vieh auf Flächen, die zu karg für den Ackerbau waren, zum Beispiel auch die Saalewiesen.

Zwei dieser Hütejungen saßen also an einem schönen Sommertag unter einem Baum am Saaleufer. Zum Zeitvertreib schnitzten sie sich Pfeifen, während das Vieh in Ruhe graste. Kein Lüftchen regte sich im Tal. Trotzdem wird die Wasseroberfläche auf einmal unruhig, es entsteht ein Gebrause und die Wellen schäumen. Beim genauen Hinsehen erkennen die Jungen eine helle, weibliche Gestalt, die aus dem Wasser steigt. Lieblich und sanft sieht sie aus, das Gesicht ganz zart und die Haut ganz weis. Das Haar dagegen war schwarz und hing nass herab. Ihr sanftes langes Gewand ist ganz in Weiß gehalten, nur ein mattgrüner Schleier bildet einen Kontrast dazu. Als Schmuck trägt sie ein funkelndes Diadem. Ihre schlanken geschmeidigen Arme tragen ein Stück Leinwand und ihre funkelnden blauen Augen schauen sich suchend um. Offensichtlich ist sie auf der Suche nach einem geeigneten Bleichplatz, den sie auch findet. Sie breitet ihre Leinwand aus und verschwindet wieder in den nun spiegelglatten Fluten der Saale.

Auf so einer Wiese am Saaleufer kann sich
die Geschichte abgespielt haben.

Die beiden Jungen sitzen noch immer im Schatten der alten Erle. Keiner traut sich zu rühren, geschweige denn etwas zu sagen. Kurz darauf kommt die Nixe in ihrer märchenhaft schönen Gestalt wieder und begießt die Leinen emsig. Den Jungen lässt das keine Ruhe mehr. Die Neugier gewinnt allmählich die Oberhand über die Scheu. Sie legen ihre neu geschnitzten Pfeifen zur Seite und betreten den Bleichplatz. Da sieht die Gestalt, die sich bis jetzt unbeobachtet gefühlt hat, auf und erblickt die beiden. Ruckzuck schnappt sie ihre Leinen und verschwindet augenblicklich in der Saale. Die Wellen schlagen hoch über ihr zusammen. Dann ist es Ruhig. Die Kinder stehen noch einen Augenblick vor Schreck da und rühren sich nicht von der Stelle. Doch dann treiben sie eilig das Vieh zusammen und kehren heim, denn sie befürchten, dass die Nixe wiederkommt um sich zu rächen.

Die Stauseen haben viele Saalewiesen verschluckt, doch
dafür sind neue Wiesen ans Ufer gerückt wie hier in Altenroth.
Eine Weile lang konnten sie ihre Eltern davon überzeugen, dass sie nicht mehr an der Saale das Vieh hüten könnten, aber irgendwann waren die anderen Wiesen abgehütet und sie mussten zurück ans Saaleufer. Ihre Befürchtungen, dass sich die Nixe an ihnen rächen wird, bewahrheiteten sich nicht, aber sie sahen die wunderschöne Nixe auch nie wieder.


Beliebte Posts aus diesem Blog

Der lange Mann von Hof

Ein weißer Rabe fliegt übers Vogtland

Noch ein langer Mann