Der Schäfer und die Nixe



Es gibt wirklich noch viele Sagen von den Nixen der Saale, die sich an allen Orten des hellen Saalestrandes erzählt werden. Dafür gehen wir heute mal von der oberen Saale runter zum Unterlauf. Genauer gesagt nach Wettin, das etwas nördlich von Halle liegt. Hier erzählt man sich eine Geschichte von einem Schäfer der sogar eine Nixe geheiratet hat.

Ein junger Schäfer aus Wettin hütete seine Schafe auf den Weiden an der Saale. Da sah er in den Fluten eine wunderschöne Nixe, die mit den Wellen spielte. Der Schäfer war sofort hin und weg von der Wasserschönheit und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Auch die Nixe war nicht abgeneigt und so lockte sie ihn zum Ufer. Als er dann den Fluss erreichte, teilte sich das Wasser vor seinen Füßen, wie einst bei Mooses das Rote Meer. So kamen sie sich schnell näher und umarmten sich schließlich in innigster Liebe.

Nach einigen Schäferstündchen mit der Nixe, hielt er um ihre Hand an. Die Nixe willigte freudig ein. Da aber die Heirat zwischen einer Nixe und einem Mensch nicht das Einfachste von der Welt war, erklärte sie die Regularien: "Du musst dich ein Jahr von mir fern halten. Nutze die Zeit zum Bedenken! Wenn du mich nach einem Jahr immer noch willst, dann komme wieder hier her".

Nach einem Jahr glühte seine Liebe immer noch wie am ersten Tag und so führte ihn sein Weg zurück ans Saaleufer, wo die Nixe schon wartete. Sie führte ihn in die Tiefe des Grundes, wo sie in einer geräumigen Halle wohnte. Alles war fast so wie im Reich der Menschen, nur die kühle neblige Feuchte und das graue Dämmern des Flussgrundes ließ ihn ein wenig ergrauen.

Es gefiel den Schäfer bei seiner Nixe und über die Jahre bekamen die beiden sogar einen Sohn. Allerdings schlich sich beim Schäfer nach und nach eine Sehnsucht nach dem Erlebten auf der Erde ein. Die Nixe spürte das und beschloss ihn Urlaub vom Leben unter Wasser zu geben. Erneut gab sie ihn Instruktionen mit auf den Weg, um die Wut ihres Vaters des Nixenkönigs zu vermeiden: "Du hast drei Tage Zeit um alle deine Freunde wieder zu treffen, kehrst du nach drei Tagen nicht zurück, wird die Rache meines Vaters furchtbar sein!"

Also machte er sich auf den Weg. Er traf seine Freunde, sein Dorf und seine alte Herde. Als ihn sogar seine Hunde wiedererkannten und mit freudigen Bellen an ihn hochsprangen, war ihn unendlich wohl. So wohl, dass er beschloss nicht mehr zu seiner Nixe zurück zu kehren. Er wusste, dass er sich von allen Wassern fern halten musste, egal ob Saale, See oder Teich. Sogar die Brunnen mied er. Eines Tages aber plagte ihn in der Sommerhitze so ein großer Durst, dass er sich zu einer kleinen Pfütze runter beugte, die das nächtliche Gewitter hinterlassen hat. "Hier kann es nicht schaden, das kleine Pfützchen" dachte er. Aber als er mit seinen Lippen das Wasser berührte, spürte er plötzlich eine riesige Last in seinem Genick, die ihn unentrinnbar unter Wasser drückte. Er ertrank. Doch bevor er starb, stand er wieder zu Hause bei seiner Nixe. Da sich die Zeit unter Wasser anders anfühlt, war der Nixe nicht bewusst, dass schon viel mehr Zeit als drei Tage vergangen waren. Aber sie sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Er war so blass und sagte kein Wort. Erst als sie fragte was denn los sei? Antwortete er: "Ich wollte nicht zurück kommen, weil es auf der Erde so wunder schön ist." Darauf hin hörte er nur noch das tiefe und Herz zerreißende Seufzen seiner Frau und starb.

Die Nixe aber lebte weiter. Sie sah ihren Sohn heranwachsen, aber nie wieder hörte man irgend eine Gesang von Ihr, nicht über Wasser und auch nicht unter Wasser.

Das besondere an dieser Geschichte: Thomas Kolitsch hat aus ihr ein Gedicht verfasst und Jan Oelmann hat dann daraus ein Lied gemacht was die Folkband "Bube Dame König" vorträgt.



Weil es ja nicht immer nur um die Saalenixe gehen soll, haben wir uns heute vorerst zum letzten Male mit den Nixen der Saale beschäftigt. Die Sagen und Erzählungen von Nixen gehen unter anderem auf den Glauben der German an heilige Quellen, heilige Seen und heilige Flüsse zurück, die von Geistern, Nymphen und Nixen bewohnt sind. Ein großer Teil der Nixenerzählungen gehen aber auch auf die Sorben, Tschechen und andere slawische Stämme zurück. Weil diese ebenfalls daran glaubten, dass die Flüsse, Seen und Quellen bewohnt wurden, allerdings von Götter, die immer an bestimmten Stellen lebten und denen man auch an diesen Stellen opfern musste.

Häufig stehen diese Nixen-Sagen auch als Synonym für das Zusammenleben von Sorben und Deutschen. So steht in unserer Sage "der Schäfer und die Nixe" der Schäfer für die deutsche Bevölkerung und die Nixe für die slawische. Es ist gut möglich, dass einst ein Deutscher eine Slawin zur Frau nahm und diese dann verließ. Als dann der Patriarch der Familie der slawischen Frau dem Manne doch wieder habhaft wurde rächte es sich wohl an diesem.

Die Sorben und teilweise auch die Tschechen siedelten ab dem Jahr 550 an der Saale. Ab der Zeit Karls des Großen, also ab 800 herum begann die Ausdehnung der fränkischen und später der deutschen Herrschaft auf die Sorbengebiete. Die Sorben kamen dadurch unter deutsche Herrschaft. Im Hochmittelalter folgten dann deutsche Kolonisten und gründeten neue Dörfer. An der Saale wechselten sich so sorbische und deutsche Dörfer ab und die Bevölkerung begann sich zu mischen. Heute gibt es nur noch in der Lausitz eine eigene sorbische Identität, in allen anderen Gebieten östlich von Saale und Elbe und westlich der Oder ist die slawische Kultur in der deutschen aufgegangen. Und so sagt man heute, das jeder Deutsche einen Slawischen Vorfahren in seiner Ahnenreihe hat.

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